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Aktuell 2022/08

Miet- und Wohnungseigentumsrecht: Online-Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung

Anfang 2021 hatten wir für Sie die wichtigsten Neuerungen der WEG-Reform, die am 01.12.2020 in Kraft getreten ist, in einem Beitrag zusammengefasst. Im vorliegenden Beitrag möchten wir uns ein dort behandeltes Thema herausgreifen und vertieft darauf eingehen: Die Möglichkeit der Online-Teilnahme an Wohnungseigentümerversammlungen. Im Rahmen unserer täglichen Mandatsarbeit haben wir den Eindruck gewonnen, dass diese Neuerung in der Praxis noch nicht wirklich angekommen ist. Es treten unter anderem folgende Fragen gehäuft auf: Darf eine Wohnungseigentümerversammlung komplett online stattfinden? Muss eine Online-Teilnahme ermöglicht werden? Wie werden datenschutzrechtliche Bedenken ausgeräumt? Der vorliegende Beitrag soll Klarheit verschaffen und (hoffentlich) Angst nehmen.

I. Rechtlicher Hintergrund
Maßgebliche Norm ist in diesem Zusammenhang § 23 I 2 WEG: „Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.“

II. Gestattungsbeschluss
Bereits das dritte Wort „können“ verdeutlicht, dass eine Online-Teilnahme nicht per se zulässig ist. Stattdessen bedarf es eines Gestattungsbeschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft.1 § 23 I 2 WEG führt hierzu eine Beschlusskompetenz zur Einführung einer Online-Teilnahme ein.2 Die Schaffung liegt im freien Ermessen der Eigentümer.3 Es reicht die einfache Mehrheit.4

III. Gesamte Wohnungseigentümerversammlung online
In der Gesetzesbegründung heißt es: „Die Beschlusskompetenz ermöglicht es aber nicht, die Präsenzversammlung insgesamt zugunsten einer reinen Online-Versammlung abzuschaffen. Das Recht jedes Wohnungseigentümers, physisch an der Versammlung teilzunehmen, steht damit nicht zur Disposition der Mehrheit.“5 Daraus folgt, dass eine Wohnungseigentümerversammlung, die rein online stattfindet, nicht zulässig ist. Zulässig ist dagegen eine Wohnungseigentümerversammlung, die faktisch rein online stattfindet.6 Das ist der Fall, wenn sich alle Eigentümer für eine Online-Teilnahme entscheiden. Dann muss lediglich der Verwalter physisch am Versammlungsort sein.7 Zu beachten ist jedoch, dass den Eigentümern die spontane Teilnahme in Präsenz ermöglicht werden muss. So wird eine Regelung, die vorsieht, dass die Eigentümer innerhalb einer Frist verbindlich angeben müssen, ob sie in Präsenz oder virtuell teilnehmen werden, als unzulässig erachtet.8 Daraus mag im ersten Moment eine fehlende Planungssicherheit für den Verwalter in der Organisation folgen. Jedoch ist ausreichend, wenn der Verwalter einen Versammlungsort auswählt, der für die zu erwartende Teilnehmerzahl genug Platz bietet.9 Maßstab ist nicht die Anzahl der Wohnungseigentümer.10 Folglich wird sich das Problem der fehlenden Planungssicherheit mit der Zeit einpendeln und vorhersehbarer werden.11

IV. Grundsatz der Nichtöffentlichkeit
Die Online-Teilnahme steht im Spannungsverhältnis mit dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Wohnungseigentümerversammlung.12 Danach soll insbesondere die aktive Einwirkung nicht berechtigter Dritter auf die Willensbildung der Wohnungseigentümer ausgeschlossen werden.13 Im Rahmen von Online-Teilnahmen können unbefugte Dritte leicht an der Wohnungseigentümerversammlung teilnehmen, ohne dass es jemand bemerkt. Zu denken ist an den Wohnungseigentümer, der online teilnimmt und die Wohnungseigentümerversammlung akustisch über die Lautsprecher seines Laptops verfolgt. Leicht können Rechtsanwälte / Freunde / Verwandte / Unbekannte, die sich im Raum aufhalten, die Versammlung mitverfolgen.14 Gleichwohl kennt das WEG kein apodiktisches Nichtöffentlichkeitsdogma.15 Es ist ausreichend, wenn angemessene und zumutbare Maßnahmen zum Schutz des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit ergriffen werden.16 Zu denken ist bspw. an folgende - alternativ oder kumulativ anzuwendende - Maßnahmen:17 Die Online-Teilnehmer erklären, dass Bild und Ton weder weiterverbreitet noch aufgezeichnet werden und auch von Dritten nicht wahrgenommen werden können.18 Die Ladung ist mit einem Link versehen, den lediglich die Wohnungseigentümer erhalten. Die Wohnungseigentümer erhalten zusätzlich zum Link ein Passwort, das beim Login eingegeben werden muss.19

V. Datenschutz
Von großer Bedeutung ist die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben. Bei der Online-Teilnahme werden personenbezogene Daten verarbeitet.20 Zu denken ist etwa an Namen, Bild, Ton und IP-Adresse.21 Die Vorgaben von DSGVO und BDSG sind einzuhalten.22 Letzner rät bspw. von einer Nutzung der gängigen Online-Videokonferenzsysteme, wie Microsoft-Teams oder Zooms, wegen folgender Bestimmungen in deren Auftragsverarbeitungsverträgen dringend ab: Die Anbieter dürfen die erfassten Daten auch zu eigenen Zwecken verarbeiten, Datenlöschungen finden nur verspätet oder eingeschränkt statt und es können (unzulässige) Datenexporte in Drittländer stattfinden.23 Vielfach werden deshalb spezielle Softwarelösungen für Eigentümerversammlungen vorgeschlagen. In Bezug auf den Datenschutz ist daran vorteilhaft, dass es sich meist um deutsche Firmen mit Serverstandorten in Deutschland oder zumindest der EU handelt.24

VI. Beschlussinhalt
Sofern eine WEG einen Gestattungsbeschluss vornimmt, darf es dabei nicht bleiben. Das Gesetz gibt keine Vorgaben zu essentiellen Fragen, die sich zur Online-Teilnahme an Wohnungseigentümerversammlungen stellen. Ein reiner Gestattungsbeschluss würde mehr Fragen aufwerfen als Klarheit schaffen.
Wir haben für Sie deshalb eine kleine Liste an Punkten erstellt, die bei einer Regelung bedacht werden könnten. Diese Liste ist keineswegs abschließend, sondern soll lediglich anregen.

- Welche Rechte dürfen virtuell ausgeübt werden? Es können die Rechte der virtuell teilnehmenden Wohnungseigentümer begrenzt werden. Dass dies möglich ist, zeigt bereits der vorstehend abgedruckte Wortlaut des § 23 I 2 WEG: „sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise“.
- Welche Übertragungsart wird gewählt? Es kann festgelegt werden, dass eine Übertragungsart als Standard gewählt wird. Dem Verwalter kann auch ein Auswahlermessen eingeräumt werden.25 Die Übertragungsart muss jedoch im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzes stehen.26
- Kosten? Durch die Schaffung von Online-Teilnahmen werden zusätzliche Kosten entstehen. Zu denken ist nur an die Anschaffung von Hard- und Software. Es kann im Gestattungsbeschluss auch die Verteilung geregelt werden.27
- Begrenzung der Online-Teilnahmen? Es muss nicht bei jeder Wohnungseigentümerversammlung eine Online-Teilnahme ermöglicht werden. Denkbar ist, dass bspw. lediglich bei außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlungen eine Online-Teilnahme ermöglicht wird, während bei ordentlichen Wohnungseigentümerversammlungen Präsenz weiterhin notwendig ist.29
- Wie ist der Datenschutz zu gewährleisten?

VII. Fazit
Eine Online-Teilnahme ist nicht per se möglich. Erforderlich ist ein Gestattungsbeschluss. Da das Gesetz zu essentiellen Fragen, die sich im Rahmen einer Online-Teilnahme an Wohnungseigentümerversammlungen stellen, keine Vorgaben gibt, muss der Gestattungsbeschluss auch diese regeln. Dem Gestattungsbeschluss sind jedoch auch rechtliche Grenzen gesetzt. Empfehlenswert ist deshalb, dass ein solcher in Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt gefasst wird, um rechtlich abgesichert zu sein. Diesbezüglich können Sie sich jederzeit gern an uns wenden. Wir finden eine für Ihre WEG maßgeschneiderte Lösung.



1BeckOK-WEG/Bartholome, § 23 WEG Rn. 20.
2BeckOK-BGB/Hügel, § 23 WEG Rn. 12.
3BeckOK-WEG/Bartholome, § 23 WEG Rn. 20.
4Letzner, ZWE 2022, 115 (115).
5BT-Drs. 19/18791, S. 71.
6BeckOK-BGB/Hügel, § 23 WEG Rn. 12.
7Greiner, ZWE 2021, 429 (429 f.); Letzner, ZWE 2022, 115 (121).
8Bspw.: Letzner, ZWE 2022, 115 (115).
9Greiner, ZWE 2021, 429 (430).
10Greiner, ZWE 2021, 429 (430).
11Greiner, ZWE 2021, 429 (430).
12Häublein, ZWE 2021, 385 (392).
13Letzner, ZWE 2022, 115 (117).
14Inspiriert von: Sankol, ZMR 2021, 447 (447).
15So zutreffend: Häublein, ZWE 2021, 385 (392).
16Letzner, ZWE 2022, 115 (117).
17Hierzu ausführlich: Jennißen/Schultzky, § 23 WEG Rn. 98 ff.
18Jennißen/Schultzky, § 23 WEG Rn. 102.
19Jennißen/Schultzky, § 23 WEG Rn. 102.
20Letzner, ZWE 2022, 115 (117).
21Letzner, ZWE 2022, 115 (117).
22Letzner, ZWE 2022, 115 (117).
23Letzner, ZWE 2022, 115 (118).
24Letzner, ZWE 2022, 115 (118).
25Letzner, ZWE 2022, 115 (117).
26Hierzu ausführlich: Letzner, ZWE 2022, 115 (117 f.).
27Hierzu ausführlich: Letzner, ZWE 2022, 115 (118).
28BeckOK-WEG/Bertholome, § 23 WEG Rn. 21.
29Idee von: Letzner, ZWE 2022, 115 (116).

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